Freitag, 27. Juni 2008
25. Juni, Ruhetag in Okoboji / Arnolds Park

Der Morgen beginnt mit einem netten Frühstück im "Arnolds Perk". Hier gibt es ein paar Computer, die zwar unfassbar alt und langsam sind, aber ein wenig Reiseplanung ermöglichen. Nach einem Besuch im Waschsalon verbummeln wir unsere Zeit bis zum Abend mit spazieren, baden und am Strand rumliegen.

Abends in Arnolds Park am Lake Okoboji, Iowa

Außerdem lernen wir David kennen, der eine kleine Galerie gleich neben unserer Frühstücks-Bar hat. Er ist schon einmal ein Jahr durch die USA geradelt und wir haben schon deshalb viel zu erzählen. Er stellt hier ziemlich beeindruckende Bilder aus, denn er ist Fotograf. Die Bilder werden mit einem speziellen Verfahren auf eine Leinwand ausgedruckt und dann wie Gemälde auf einen Rahmen gespannt. Entsprechend gut sieht dass dann auch aus.

In gemuetlicher Runde mit David und Deirdre (die das Foto gemacht hat)

David segelt viel auf Expeditionen um die Welt (letzten Sommer durch die eisfreie Nordwest-Passage), klettert und hält Vorträge. Ein spannender Mensch, mit dem es uns nicht langweilig wird. Bis spät am Abend unterhalten wir uns über die verschiedensten Dinge. Dazu trinken wir leckeren kalifornischen Weißwein, denn praktischerweise sitzt die Besitzerin des Weinladens nebenan mit am Tisch. Es ist mal wieder ein tolles Erlebnis.




Mittwoch, 25. Juni 2008
24. Juni, Lakota nach Arnolds Park

Fruehmorgens treibt uns die Sonne wieder aus dem Zelt. Selbst der Hund pennt noch, als wir unsere Sachen zusammenpacken und fruehstuecken fahren. Die Cornflakes gibt es heute morgen vor der Stadtbuecherei, da gibt es Picknicktische und Wasser zum Geschirrspuelen. Unsere Gastgeber hatten uns zwar angeboten, ihren Kuehlschrank zu pluendern, aber das erschien uns doch etwas uebertrieben.

Der Wind kommt heute wieder von der Seite. Er ist kraeftig und boeig und wir sind ganz froh, dass die Etappe nicht gar so lang wird. In den letzten Tagen sind wir gut vorangekommen, aber die Beine zollen dem nun langsam ihren Tribut. Deshalb fahren wir heute in ein Seengebiet, welches touristisch ganz gut erschlossen ist, um den morgigen Tag dort zum Erholen zu nutzen. Ganz bescheiden wird die Region "Iowa Great Lakes Region" genannt.

Das Radeln ist heute auch mental sehr anstrengend. Wir fahren auf dem Highway 9, wo ueber weite Strecken leider kein Standstreifen existiert. Ausserdem rattern wir hier ueber den bisher schlechtesten Asphalt und sorgen uns bisweilen um unsere Raeder. Dazu kommt auch noch ziemlich starker Verkehr. Die Autofahrer sind zwar meist ruecksichtsvoll und scheren zum Ueberholen ganz weit aus, aber es geht uns doch ganz schoen auf die Nerven.

Besonders unliebsam sind uns die entgegenkommenden Trucks. Sobald einer am Horizont auftaucht, mache ich mich schon ganz klein. Die vorbeibrausenden Ungetueme produzieren jedes Mal einen gewaltigen Schwall heisser Luft, der uns entgegenschlaegt wie eine Faust und uns ins Wanken bringt. Meistens fliegen noch Kieselsteinchen ueber die Fahrbahn und pieksen mich in die Schienbeine. Kommt der Truck mal von hinten, so schiebt uns die Luft zwar schoen vorwaerts, reisst uns aber auch fast das T-Shirt vom Leib.

Wir sind uns einig, dass es kein entspanntes Fahren ist und wollen kuenftig diese Highways vermeiden, wo es moeglich ist. Mal sehen, wie stark das Verkehrsaufkommen in South Dakota sein wird.

Auch in Iowa gibt es jede Menge Kuehe

Schliesslich erreichen wir nach 90 km die Seenregion um Spirit Lake. Auch hier herrscht jede Menge Verkehr und leider ist das landschaftlich so schoene Gebiet wieder mit einer vierspurigen Strasse, Motels, Spassmeilen, Restaurants und Golfplaetzen zugebaut. Wir hatten uns vorher schon etwas schlau gemacht und ein paar Zeltplaetze im Visier. In einer Touristeninformation erkundigten wir uns trotzdem noch einmal, in der Hoffnung auf einen Geheimtipp. Die Dame war ausgesprochen hilfsbereit, aber ueberhaupt keine Hilfe. Sie schien weniger ueber die Zeltplaetze zu wissen als wir und so steuerten wir den staedtischen Zeltplatz in Arnolds Park an.

Dieser ist zwar nicht idyllisch, aber dafuer zentral gelegen und wir wollen ja morgen keine grossen Strecken radeln. In unmittelbarer Umgebung gibt es einen Vergnuegungspark mit viel Trallala und bis nachts fahren die Jugendlichen mit viel Geknatter die Strassen entlang. Wir finden uns damit ab und freuen uns auf den Ruhetag.




23. Juni, Riceville nach Lakota

Es gibt Tage, an denen lohnt sich das Aufstehen ganz besonders. Aber von vorn.

Unser schönes Nachtlager verlassen wir heute wieder recht zeitig, denn es ist leichter Wind von Nordosten vorhergesagt. Die Prognose trifft zu und so begleitet uns meist eine zarte Brise von schräg hinten über den Tag. Das ist ausgesprochen angenehm und zudem entscheiden wir uns glücklicherweise für kleinere Straßen nördlich von Highway 9. Dort gibt es fast keinen Verkehr und besonders in den Morgenstunden radelt es sich sehr nett dahin.

In St. Ansgar will Kathi mit unserer neu erworbenen Prepaid-Telefonkarte einen Geburtstagsanruf tätigen, doch in dem ganzen Städtchen gibt es kein Münztelefon mehr. Dafür lädt uns ein älterer Herr ein, sein Telefon zu benutzen. Wir folgen seinem alten, schwarzen Cadillac bis zu seinem Haus, wo er uns das Telefon in der Küche zeigt und Sekunden später schon wieder von dannen fährt. Das Geburtstagskind erreichen wir nicht, aber wir haben unser erstes US-Haus von innen gesehen.

In einem winzigen Kaff names Kensett gibt es dann das erste Essen in einem ulkigen, kleinen Family Inn mit langen Tischen wie in der Mensa. Es geht hoch her, denn die Farmer essen ihr Mittag. Wir geraten mit einem Biker-Pärchen wie aus dem Bilderbuch in eine längere Unterhaltung und bekommen am Ende noch eine kultige Visitenkarte mit auf den Weg. Die eine Seite wirbt für seine Harley-Davidson-Werkstatt, die andere für ihr Tattoo-Studio.

Weiter geht es, mitten durch die ersten Windfarmen auf unserem Weg. Eine locker dreistellige Zahl an Windrädern ist hier auf den Feldern verteilt. Nach einer Weile kommen wir an einer Kreuzung an. Nun geht es links zu mehreren großen Campgrounds in Forest City oder rechts zu einem seltsam anmutenden Zeltplatz in Lakota, laut Iowa-Führer mit ganzen sechs Stellplätzen und ohne Klo. Wir entscheiden uns für die Ungewissheit und biegen rechts ab. Wenig später gibt es in Thompson noch eine Pizza, bevor wir nach 142 km in Lakota ankommen.

Der Ort ist wieder sehr klein und an der "Haupt"-Strasse gibt es tatsächlich eine kleine, gemähte Rasenfläche gleich neben den Eisenbahngleisen. Der Eigentümer findet sich schnell und das Campen ist sogar kostenlos. Wir malen uns noch aus, wie wir im Dunkeln mit unseren Wasserflaschen an der Straße duschen, doch zunächst werden wir zu einem kleinen Fest eingeladen, wo wohl der ganze Ort mit erstaunlich vielen jungen Leuten auf zwei Volleyballfeldern zusammengekommen ist. Unsere Geschichte spricht sich schnell rum und wir sind bald mit kühlem Wasser, Popcorn und netten Gesprächspartnern versorgt. Außerdem lernen wir, dass der Ort eigentlich mal Germania hieß und im ersten Weltkrieg in Lakota umbenannt wurde.

Eine Einladung zum Duschen können wir wenig später nicht ausschlagen. Wir folgen einer ungeheuer fröhlichen und sympathischen Dame names Gail zu ihrem Haus und haben kurz darauf einen Platz für unser Zelt auf dem großen Rasen im Backyard. Dazu gibt es noch eine offene Hintertür zu Dusche, Computer, Telefon und Fernseher sowie belegte Sandwiches, Cookies, Orangensaft, Erdbeereis und einen Hund zum Streicheln. Wir können unser Glück und die uns entgegengebrachte Herzlichkeit kaum fassen.

Zu Gast im Garten von Familie Naumann in Lakota, Iowa

Noch wertvoller als der Schlafplatz mit allem Komfort ist aber der gemeinsame Abend mit Gail, ihrem Mann und der Verwandschaft aus Georgia, die gerade zu Besuch ist. Unsere Gastgeber betreiben mehrere Farmen, einige davon oben in Minnesota. Wir tauschen spannende Geschichten aus und lachen viel gemeinsam. Wir haben eine Adresse für eine Postkarte und schlafen zufrieden nach dem wohl schönsten Tag unsere bisherigen Reise ein.




Dienstag, 24. Juni 2008
22. Juni, Lansing nach Riceville

Unsere erste Etappe in Iowa hält zunächst einmal wieder einige ordentliche Anstiege für uns bereit. Die halten uns aber auch den Wind vom Leib, der heute von Nordosten kommt.

Man hatte uns vorgewarnt, daß man in Iowa außer Maisfeldern nichts sehen würde. Wir sehen aber erstmal nur viel Weideland und riesige Flächen, die zur Heugewinnung dienen. Immer wieder fahren wir an Kühen und Pferden vorbei, an großen Farmen, auf deren Grundstücken das Wohnhaus nur wenige Meter neben dem Silo steht.

In Decorah machen wir Halt und stocken die Vorräte auf. Wie so oft werde ich vor dem Supermarkt angesprochen und nach dem Woher und Wohin ausgefragt. Der Herr ist selbst mit einer Deutschen verheiratet, sie stammt aus Ostfriesland. Sehr viele Amerikaner haben deutsche Wurzeln oder Verbindungen nach Deutschland, das erstaunt uns immer wieder.

Wenn es danach ginge, muesste jeder Highway so heissen.

Die Straße nach Cresco verläuft in nordwestlicher Richtung, also exakt gegen den Wind. Wir finden uns gerade mit unserem Schicksal ab, als wir einen schön geteerten, baumbestandenen Radweg entdecken, der just in unsere Wunschrichtung führt. Es sind nur ein paar Kilometer, doch die schnurpseln sich nur so dahin und wir können unser Glück kaum fassen. In Cresco gibt es das zweite Mittagessen und danach noch ein Stück Highway nach Westen.

Nach 122 km erreichen wir unseren wunderschönen und bisher preiswertesten Campground. Wir sind zufrieden mit unserem Vorankommen und schlafen, wie immer, ganz schnell in unseren kuscheligen Schlafsäcken ein.




Sonntag, 22. Juni 2008
21. Juni, Richland Center nach Lansing

Der Morgen beginnt für uns heute etwas früher und wir sind endlich mal vor neun Uhr auf den Rädern. Der Westwind ist auch so früh schon recht kräftig, kann uns aber durch die großen Hügel nicht viel anhaben. Die Anstiege sind radlerfreundlich - lang und seicht. So kommen wir gut voran und haben vor zwölf das halbe Tagespensum absolviert. In "Gays Mills" gibt es lecker Burger zwischen die Beißer.

Wir fahren ueber den Mississippi

Nächster Höhepunkt für uns ist der Mississippi - ein gewaltiger Fluß. Obwohl wir noch sehr weit am oberen Teil des Flusses sind (er fließt ja bis runter nach New Orleans), ist er hier schon locker zwei Kilometer breit. Das mag zum Teil mit dem Hochwasser zusammenhängen. Wir fahren noch ein Stück nach Norden und überqueren den Fluss an einem zerklüfteten Gebiet über etwa 5 kleinere und eine große Brücke. Letztere ist steil und man fährt über ein Metallgitter, durch das man direkt in die Fluten schauen kann. Auf der anderen Seite angekommen sind wir in Lansing, Iowa, wo uns ein schöner Zeltplatz erwartet.

Und damit beginnt Iowa.

Nun ist etwa ein Drittel unserer Reise vorbei. Zeit für ein kleines Zwischenfazit. Wir sind bisher 2000 km Rad gefahren und haben schon viele Bundesstaaten gesehen. Nun werden die Staaten aber größer und es liegt noch eine gewaltige Strecke vor uns. Ob wir es allein per Rad bis zum 19. August nach Vancouver schaffen werden, ist schwer vorherzusehen, aber ein wenig Ehrgeiz ist schon vorhanden. Zwei Aspekte sind für uns noch sehr ungewiss: Wie heftig werden wir mit dem Westwind kämpfen müssen, sobald die Strecke komplett flach wird (South Dakota)? Und wie schlimm werden die Bergetappen in den Rockies wirklich? Es bleibt spannend und die Vorfreude auf die sicherlich tolle Natur im letzten Drittel der Reise ist groß...




20. Juni, Mazomanie nach Richland Center

Mit noch ungewissem Ziel verlassen wir noch vor 9 Uhr unseren Zeltplatz, rattern die Schotterpiste hinunter und schlagen den Weg nach Norden ein. Diese Route würde uns nach La Crosse führen, entlang einiger State Parks und durch die Hügel Wisconsins. Nach 5 km überlegen wir es uns aber anders, kehren um und fahren westwärts. Diese Strecke führt uns auf dem kürzesten Weg zum Mississippi und da wollen wir schließlich hin.

Unsere Piste herab vom Campground bei Mazomanie, Wisconsin

Es rollt sich ganz flott und der Gegenwind macht uns das Leben auch nicht allzu schwer. Irgendwann, auf dem Standstreifen eines lebhaften Highways, fängt plötzlich mein Rad an zu eiern. Ein platter Reifen, diesmal am Hinterrad. Die Untersuchung zeigt, daß es an der Innenseite geknallt hat, also wohl von der Felge. Kurz zuvor bin ich ganz schön rustikal über ein paar Gleise gefahren - das war wohl zu viel Schmackes. Aber der Mann an meiner Seite ist ja schon Profi und pumpt auch fein wieder Luft drauf. Jetzt kommt uns der kleine Druckmesser gelegen, den wir in Milwaukee geschenkt bekommen haben.

Wir radeln bis Richland Center, wo wir endlich unser verspätetes Mittagessen bekommen. Es ist schon Nachmittag und wir haben uns seit dem Frühstück mit Riegeln verschiedener Art über Wasser gehalten, da schmeckt das Sandwich zweimal so gut.

Tja, viel hilft viel

So richtig weit geradelt sind wir zwar nicht (85 km), aber wir beschließen den Tag dennoch hier. Unser Zeltplatz ist schön preiswert, hübsch gelegen und sehr angenehm. Wir unterhielten uns vorhin mit einem sympathischen Pärchen in unserem Alter. Sie sind selber einmal mit den Rädern von Minnesota nach Florida gereist und waren - wie eigentlich jeder - begeistert von unserer Reise. Jetzt haben sie genug vom Stadtleben, wollen sich hier auf dem Land ein Stück Land kaufen und ein Häuschen bauen. Vermutlich schauen sie sich gerade nach etwas Geeignetem um, aber so genau haben wir nicht nachgefragt.

Morgen werden wir wohl den Mississippi überqueren, hinüber nach Lansing, Iowa. Im Internet haben wir nichts von Sperrungen entlang unserer Strecke gefunden, entweder sind diese Straßen vom Wasser verschont geblieben oder es ist zurückgegangen. Wir sind mittlerweile an einigen Sandsäcken vorbeigekommen, die das volle Ausmaß des Hochwassers von vor einigen Tagen ahnen lassen. Einige Grundstücke stehen noch völlig unter Wasser. Es ist in dieser Gegend aber wohl das Grundwasser und kein Flußwasser, was die Probleme bereitet. Mal sehen, wie es am Mississippi aussieht.

PS: Die Netzabdeckung wird zunehmend schlechter, so daß wir nicht jeden Tag ohne weiteres unsere Berichte einstellen können. Das wir sicherlich immer problematischer werden, je weiter wir nach Westen fahren. Kein Grund zur Sorge, wir bemühen uns so oft es geht um ein Lebenszeichen. Und zu Zeiten ohne Internet wäre es schließlich auch gegangen!

PPS: Eine lebende Schildkröte ist noch nicht gesichtet worden, dafür noch mehr plattgefahrene. Wie ein Gürteltier sieht es nicht aus, denn die haben meiner Meinung nach noch einen Schwanz hinten dran...




Samstag, 21. Juni 2008
19. Juni, Lake Mills nach Mazomanie

Die Morgensonne heizt unser Zelt schon vor um acht gehörig auf. Trotzdem verlassen wir unser schönes Nachtlager mal wieder viel zu spät. Das Frühstück geht flott, aber das Zusammenpacken von unserem ganzen Gerassel einschließlich Zelt dauert ziemlich lange. Da hilft wohl nur früher aufstehen...

Der Gegenwind bleibt uns wohl für den Rest der Reise treu. Dafür fahren wir schon bald durch Sun Prairie - ein ausgesprochen hübsches Städtchen. Wenig später kommen wieder Brücken, unter denen jede Menge brauner Brühe hindurchfließt. In einem Ort bleiben wir verblüfft stehen: Hinter uns fließt das Wasser durch Felder und riecht übel, wie leider der ganze Ort. Auf der anderen Straßenseite liegt ein Friedhof (die hier grundsätzlich sehr hübsch angelegt, gepflegt und frei zugänglich sind). Und unmittelbar daneben kreischen Kinder in den ratternden Attraktionen des kleinen Vergnügungsparkes "Little Amerricka" (sic!). Die Szene wirkt kurios.

Freud und Leid liegen manchmal direkt nebeneinander.

Highway 19 führt uns weiter nach Westen. Die Landschaft bleibt schön und die Hügel nehmen wieder spürbar zu. "Rolling Hills", wie uns schon in Milwaukee versprochen wurde. Doch von Appalachen-Niveau sind wir zum Glück noch deutlich entfernt.

Nach gut 90 km geht es zu unserem Campground dann noch einmal eine Mischung aus grobem Schotter und Sand kräftig bergauf. Als Straße kann man das nicht bezeichnen und wir haben mit Gepäck und dünnen Reifen unsere liebe Müh. Auf dem Hügel ist die Aussicht fast so umwerfend wie die hereinbrechende Mückenplage. Stehendes Wasser ist naturgemäß ein ganzen Stück entfernt, doch das stört die Mücken nicht. Selbst unsere übliche Abwehrmaßnahme, ein großes Lagerfeuer, bleibt wirkungslos. So kann immer nur einer arbeiten, während der andere die Verteidigung vor den aggresiven Viechern übernimmt, die zu Dutzenden ihr Leben verlieren. Nach den Nudeln ziehen wir uns zerstochen ins Zelt zurück.




Samstag, 21. Juni 2008
18. Juni, Milwaukee nach Lake Mills

Gut erholt geht es heute wieder Richtung Westen. Es wird ein interessanter Tag, dessen Planung wir mehrfach über den Haufen werfen. Zunächst verlassen wir aber die schöne Stadt Milwaukee. Und auch die Vororte können sich sehen lassen und sind meist recht hübsch und radlerfreundlich.

Auffäligster Unterschied zu den letzten Staaten ist das Highwaynetz, das weit weniger quadratisch angelegt ist. Aber da ist noch etwas: die Vorgärten. Ja, sie sind auch hier groß und es gibt viel Rasen. Doch da sind auch Bäume, Büsche, Zierpflanzen, Bänke, Pavillons und viele kleine, schmückende Details. Man nutzt seinen Garten auf vielfältige Weise. Der Unterschied zu Michigan ist erstaunlich.

Irgendwann saust dann plötzlich ein Liegeradler vor uns über die Straße und wir entdecken einen Trail, der hier fast bis Madison führt - genau in unsere Richtung. Das erforderliche Nutzungsentgeld wird durch den feinen Asphalt ausgeglichen, der jedoch nach einigen Kilometern in befestigten Schotter übergeht. Wir kommen trotzdem gut voran, denn vor dem Gegenwind sind wir meist geschützt. Es gibt viele Radler und zwangsläufig auch nette Unterhaltungen. Die Einladung zum Camping neben dem Haus kommt mal wieder zu früh am Tag.

In Wisconsin sehen wir noch die Spuren des Hochwassers.

Der Weg führt uns nun vorbei an vielen Feldern, die noch überflutet oder getrocknet und ziemlich verwüstet sind. Wisconsin wurde von den Wassermassen zwar nicht so hart getroffen wie andere Staaten, doch die Schäden sind sichtbar. Glücklicherweise führt der Trail entlang einer ehemaligen Eisenbahnlinie, die leicht erhöht ist. So kommen wir auch durch die stärker betroffenen Gebiete fast immer trockenen Rades. Das Timing ist jedoch glücklich, wir hätten wohl keine zwei Tage früher hier sein sollen. Auch die kleinsten Flüsse führen noch heftig Hochwasser und müffeln entsprechend. Ein weiterer Nebeneffekt sind Wolken von Insekten, durch die wir fahren müssen. Auch zwei Brücken sind noch gesperrt, doch es ist keiner da, der guckt.

Die Bruecke hielt stand.

Nach 100 km erreichen wir den ersten staatlichen Zeltplatz auf unserer Reise. Es gibt 15 weitläufig und schön angelegte Sites, zu denen man nicht mit dem Auto kommt. Zudem sind wir komplett allein. Das Geld kommt wie zuvor auf dem Trail in eine Box - self registration. Die Dusche beschränkt sich auf einen Wasserhahn und ist kalt, aber das kann uns heute nicht stören. Es wimmelt hier nur so vor gestreiften Hörnchen (Streifenhörnchen?) und einer ziemlich kleinen Hasenart - oder sind das alles Junge? Leider gibt es auch hier jede Menge Mücken, die aber verschwinden, als das Feuer endlich brennt. Letzteres war gar nicht so einfach mit dem nassen Holz.

Die Nudeln sind lecker, der Himmel sternenklar, der Mond groß und rund, die Frösche quaken lautstark. Wir sind schwer zufrieden.




17. Juni, Ruhetag in Milwaukee

Unser Motelbett ist ausgesprochen bequem und dann kommt am Morgen auch noch Oceans' 13 im Fernsehen. Wir entscheiden uns spontan für einen Ruhetag und bleiben bis mittags liegen.

Danach fahren wir eine Runde durch Milwaukee und der erste Eindruck vom Vorabend bestätigt sich: Das ist eine ausgesprochen angenehme Stadt. Alles ist recht ruhig, es gibt viele Radler und Radwege, die Leute sind nett und viele grüne Parks laden zum Verweilen ein.

Unsere erste Station ist ein Radladen, denn unsere Drahtesel können mal eine Durchsicht vertragen. Während wir nebenan im Park dösen, wird alles fein geputzt und gefettet. Es gibt aber keine größeren Probleme. Die Räder gefallen den Jungs sehr, ebenso unser Vorhaben. So wird noch lange gefachsimpelt. Bevor wir uns verabschieden, gibt es noch einen ordentlichen Schuss Luft auf die Reifen, denn an den Tankstellen hier gibt es nicht einmal eine Druckanzeige.

Nächstes Ziel ist mal wieder eine Futterstelle, doch wir kommen nicht weit. Wir stehen an einer Ampel, als es plötzlich gewaltig rummst. Mein Vorderrad ist explodiert. Den Schlauch hat es zerfetzt und dabei ist gleich noch der Mantel von der Felge geflogen. War wohl doch etwas viel Druck. Aber Glück im Unglück, denn das hätte ich nicht bei flotter Fahrt erleben wollen. Wir lassen bei den anderen Reifen etwas Luft ab, schieben die halbe Meile zurück und bekommen einen neuen Schlauch mit einem Schwung Entschuldigungen.

Als nächstes gibt es einen neuen Haarschnitt (je kürzer, desto praktischer). Größter Unterschied zu daheim: Die Friseurin steht und der Deliquent wird gedreht, nicht andersrum. In den Spiegel darf man erst ganz am Ende schauen. Die Dame hat aber ungeheuer viel Spaß, an dem ich mangels Spanisch-Kenntnissen nicht teilhaben kann. Der Rest des Tages bringt noch eine ungeheuer leckere Pizza bei einem gebürtigen Ukrainer und "Hulk" im Kino, der weniger umwerfend ist. Ein schöner Tag in einer schönen Stadt.




Donnerstag, 19. Juni 2008
16. Juni, Cedar Springs nach Milwaukee

Wir wollten heute mit der Autofähre auf die andere Seite des Lake Michigan übersetzen. Als wir morgens aufbrachen, hatten wir noch rund 60 km bis zum Hafen in Muskegon vor uns. Wir traten ordentlich in die Pedale, um rechtzeitig am Terminal einzutreffen. Tatsächlich hatten wir dann noch mehr als genug Zeit, um zwei gigantische Sandwiches zu verdrücken und entspannt am Hafen herumzugammeln. Wir sahen auf dem Weg nach Muskegon übrigens zum zweiten Mal eine überfahrene Schildkröte am Straßenrand. Das ist bislang das exotischste "roadkill", gefolgt von Stachelschwein, Schlange, Waschbär und Opossum.

In Muskegon am Lake Michigan

Die Fähre brauchte zweieinhalb Stunden für die 130 km über den See, ein ziemlich flottes Boot. Auf dem offenen Deck war es bei der Geschwindigkeit auch kaum auszuhalten. In der Kabine saß man dagegen recht komfortabel und konnte auf das vorbeiziehende Wasser schauen.

Auf der Faehre pustet uns der Wind fast weg. Im Hintergrund sieht man die Silhouette von Milwaukee.

In Milwaukee angekommen, durften wir unsere Uhren um eine Stunde zurückstellen, es gilt nun Central Time. Wir machten uns auf den Weg zum Flughafen, wo das Motel unserer Wahl lag. Die Dame am Empfang war so nett und checkt nur einen Gast ein, so daß wir nur ein Einzelzimmer bezahlen müssen. Ein Doppelbett steht trotzdem drin. Abends riecht es im ganzen Hotel nach Marihuana, aber unser Zimmer ist in Ordnung, für einen guten Preis und wir sind zufrieden.