Donnerstag, 5. Juni 2008
3. Juni, Ruhetag in Niagara Falls

Am Morgen prasselte der Regen auf unser Zelt. Wir waren ganz besonders froh darüber, bei diesem Wetter nicht radeln zu müssen, obwohl wir uns die Wasserfälle lieber bei Sonnenschein angeschaut hätten.

Frühstück gab es bei Dunkin' Donuts. Die Menge an Kaffee, die man hier als "medium" bekommt, würde man in keine deutsche Kaffeetasse bekommen. Darüber hinaus gibt es noch large und x-large - wir werden davon berichten, sobald wir ausgetrunken haben.

Um vom Zeltplatz zu den Niagarafällen zu kommen, ging es 6 Meilen über einen stark befahrenen Highway. Niagara Falls, die Stadt selbst, ist ziemlich heruntergekommen. Auf der Fahrt zu den Fällen kamen wir auch durch ein ghettoähnliches Viertel.

Die American Falls

Schon von weitem sahen wir den Sprühnebel, der vom Fuß der Fälle aufstieg. Endlich vor Ort angekommen, waren wir beeindruckt. Unmengen von Wasser stürzen mit viel Getöse über diese Kante, ein imposantes Spektakel. Wir standen auf der US-amerikanischen Seite der Fälle, die kanadischen Fälle sahen wir nur aus der Ferne. Nachdem wir das Schauspiel aus gebührender Entfernung betrachtet hatten, fuhren wir mit einem der Kutter mitten hinein in die Gischt und wurden schön geduscht. Das Boot brachte uns bis zu den Strudeln der Horseshoe Falls, also den Wasserfällen der kanadischen Seite. Der Name kommt daher, daß sie von oben betrachtet hufeisenförmig sind. Sie sind größer und viel mächtiger als die amerikanischen Fälle.

Im Hintergrund die Horseshoe Falls

Ein weiterer Rundgang brachte uns zu Fuß bis unter die Bridal Veil Falls, ein kleiner Wasserfall zwischen den eigentlichen Fällen. Mit Erwerb des Tickets wurden uns mülltütenartige Umhänge sowie rutschfeste Sandalen ausgehändigt, in denen man sich ganz nah ans fallende Wasser wagen konnte.

Mit dem Rad überquerten wir dann die Rainbow Bridge und reisten damit nach Kanada, vorläufig nur für ein paar Stunden. Die Einreise verlief unspektakulär, nur die Fahrräder lassen die Officers kurz stutzen. Auf der kanadischen Seite ist mächtig Halli-Galli, die Touristen werden durch Imbißstände, Rummelbuden und Tanzschuppen bei Laune gehalten. Von hier gibt es aber auch noch mal einen schönen Ausblick auf die gesamten Wasserfälle.

Eines der Boote inmitten von Strudeln und Gischt

Nachdem wir alles ausgiebig beguckt hatten, machten wir uns wieder auf den Weg zum Zeltplatz, entlang des fürchterlichen Highways. Man hat sich hier ganz offensichtlich keine Mühe gegeben, die Umgebung attraktiv zu gestalten - es ist die häßlichste Stadt seit Beginn der Reise. Leckere Hot Dogs zum Abend stimmen uns wieder versöhnlich und pappsatt. Ein schöner Ruhetag, der aber doch nicht unter 30 km auf dem Rad zu haben war.




Mittwoch, 4. Juni 2008
2. Juni, Spencerport nach Niagara Falls

Kurz nach neun machen wir uns von unserem Motel wieder auf den Weg Richtung Kanada. Unser spezieller Freund, der Westwind, weht mal wieder und wird für den Rest des Tages unser ebenso treuer wie unliebsamer Begleiter sein: Mal mäßig, mal steif, aber immer schön mitten ins Gesicht.

Der Weg führt uns wie schon gestern entlang des Erie Canal Trails. Die Umgebung ist schön und man trifft andere Radler. Eine Gruppe hält an und fragt uns aus. Sie mögen Deutschland und freuen sich über unser Englisch. Ihr Deutsch beschränkt sich jedoch auf "zwei Maß bitte". Nach einer Weile haben wir dann vom Kanal-Weg genug. Der Kiesuntergrund erhöht deutlich spürbar den Rollwiderstand und windgeschützter als auf dem Highway sind wir hier auch nicht.

Etwa bei Kilometer 60 landen wir trotzdem wieder beim Kanal. Wir sind in Medina und eine ausgedehnte Pause soll die müden Beine wieder fit machen. Eingentlich ginge es in Ordnung, den Tag demnächst zu beschließen. Andererseits würden wir am liebsten heute noch bis zu den Niagarafällen kommen. Das Tageslich reicht dafür und so geht es etwa weitere 30 km den Kanal hinauf.

Bei Lockport verlassen wir den Trail und fahren auf den Highways weiter. Der Gegenwind ist weiter unerbittlich. Ich bemerke mal wieder mehrere bezeichnende Beispiele amerikanischer Rasen-Mäh-Freudigkeit. Doch diese bislang unerkannte Ursache der nationalen Spritpreis-Problematik wird erst in einer späteren Episode thematisiert.

Als wir auf dem Campground im Ort Niagara Falls ankommen, haben wir 117 km bei suboptimalen Bedingungen in den Beinen. Wir sind zufrieden mit unserer Performance, doch klar ist auch: So richtig toll war das nicht. Umso mehr freuen wir uns auf den Ruhetag, den wir morgen zur Besichtigung der Fälle nutzen wollen.




Montag, 2. Juni 2008
1. Juni, Geneva nach Spencerport

Der Tag beginnt durchwachsen. Die nächsten Zeltplätze liegen 80 oder 100 km westlich. Doch der Blick aus dem Fenster zeigt eine gerade im Wind stehende US-Flagge. Leider zeigt sie in die falsche Richtung, und bei diesen Bedingungen werden wir nicht sehr weit kommen. Doch dann kommt alles ganz anders als gedacht...

Zunächst aber folgen 20 km bis Canandaigua in kräftigem Gegenwind. Wir haben vorerst genug und setzen uns in ein nettes Cafe mit kostenlosem Internet, um über die Route zu beraten. Innerhalb kurzer Zeit findet sich eine ganze Gruppe von Einheimischen zusammen, die lebhaft an unserer Planung teilnimmt. Es sind auch Radler dabei, einer war sogar schon in Leipzig. Wir kommen zu dem Schluss, dass der Erie Canal Trail einen deutlich schöneren Weg nach Westen und keinen zu großen Umweg darstellt. Ein Pfad für Jogger, Wanderer und Radler führt an diesem Kanal quer durch den Staat New York. Wir fahren also zunächst noch ein Stück nach Norden zum Kanal, unterbrochen von einem Halt an einer riesigen Mall. Dort ziehen wir ein Stück Draht aus Kathis Vorderrad, dass sich auch durch den Super-Duper-Mantel gebohrt hat. Wir müssen das erste Mal einen Schlauch wechseln.

Am Kanal treffen wir dann allerlei nette Radler. Eine Frau spricht uns an, als wir in die Karte gucken, die uns zuvor geschenklt wurde. Sie sagt ganz offen, dass sie um einen guten Eindruck der Amis auf uns bemüht ist. Zitat: "We're not as crazy as our president". Sie bietet sogar an, in ihrem Garten zu zelten. Aber wir fahren weiter. Einige Meilen werden wir von einem netten Herrn mit seinem Sohn begleitet und schlagen eine wohl ganz ehrlich gemeinte Einladung in ihr Haus zum Essen aus. Das war aber eher falsche Scham, die wir uns wohl abgewöhnen sollten.

Der Radweg entlang des Erie Canal

Obwohl wildes Campen hier wohl möglich wäre, lassen wir uns später vom GPS zu einem recht preiswerten Motel leiten. 90 km liegen hinter uns, und ein toller Tag, der so völlig anders verlief, als geplant. Die Niagarafälle sind nun (fast) zum Greifen nah und wir hoffen wieder einmal auf gute Regeneration der bisweilen zwickenden Waden und Oberschenkel.

PS: Kennt jemand einen guten, schlanken Wetter-Service mit Windvorhersage für Nordamerika für mobilen Zugriff? Oder einen Service, der unsere Track-Logs im .gpx-Format hübsch in Google Maps o.ä. einmalt?




Sonntag, 1. Juni 2008
31. Mai, Odessa nach Geneva

Wir befinden uns mittlerweile in Geneva, einer Stadt am Nordufer des Lake Seneca. Dieser See gehört zur Gruppe der Finger Lakes - ein Blick in die Karte erklärt diesen Namen. Den ganzen Tag radelten wir mehr oder weniger am Ufer entlang und das bei einer Etappe von 80 km. Dabei hat kaum jemand schon von diesem Seegebiet gehört. Jetzt sind wir erst recht auf die "echten" Großen Seen gespannt, die ja auf der Karte noch so viel größer aussehen.

Dabei fing der Tag gar nicht gut an. Nachts hatte es geregnet, die Vorhersage meldete weitere Regenfälle und zudem war es morgens recht kühl. Die Truppenmoral war also geschwächt, aber dennoch machten wir uns auf die Socken.

Den ersten Regenschauer passten wir unter dem Dach eines riesigen Walmarts ab, indem wir fast eine Stunde lang durch die Regale trödelten und uns an der Auswahl erfreuten. Allein für Cornflakes gibt es einen ganzen Gang mit beidseitig bestückten Regalen, so daß man als unerfahrener Cornflakes-Interessent schon mal überfordert sein kann.

Danach blieb es trocken, dafür machte uns der Wind das Leben schwer. Obwohl es eher Seiten- als Gegenwind war, wurden die Pausen häufiger und die Beine schwer. Glücklicherweise erreichten wir zum Nachmittag bereits die Ausläufer von Geneva und rollten recht flott in die Stadt hinein. Heute gönnen wir uns den Luxus eines Motelzimmers, da der nächste Zeltplatz ein wenig ab vom Schuß liegt.

Im übrigen sind wir heute durch ein Örtchen namens Dresden geradelt und haben dieses Ereignis mit einem Softeis gefeiert. Auch viele andere Orte tragen interessante Namen, welche bewußt machen, daß die USA ein Land von Einwanderern ist: Hamburg, Odessa, Mecklenburg, Barcelona - um nur ein paar Beispiele zu nennen. Morgen geht es auf der Route 20 weiter Richtung Westen.

Hier geht's nach Hause.




Samstag, 31. Mai 2008
30. Mai, Endicott nach Odessa

Es war die dritte kalte Nacht in Folge, aber diesmal glaube ich ohne Frost. Ich bin neidisch auf Kathis tollen Daunenschlafsack, aber mit meiner Thermounterwäsche geht es auch. Gegen zehn geht es mit gemischten Gefühlen los, denn die Beine waren doch gestern ziemlich zu und die Etappe wird lang. Doch das Profil unterscheidet sich deutlich von den letzten Tagen: Das GPS sagt nur je einen mittelgroßen Anstieg zu Beginn und Ende vorher. Voller Vorfreude lasse ich die Abfahrt schwungvoll rollen und bin erstaunt, dass der Lastesel auch bei über 60 km/h nicht zu flattern anfängt.

Danach kommt wie versprochen ebene Strecke mit bestenfalls kleinen Huckeln. Das zeigt Wirkung und wir kommen zügig voran. Zudem sind die Highways angenehm verkehrsarm und haben stets breite Seitzenstreifen. Gegen 16 Uhr sind wir am Ziel und haben 88 km geschafft. Abgesehen von vielen (meist lebenden) Rehen am Wegesrand ist die Fahrt allerdings recht ereignislos. Sogar Kathis Magen scheint die fehlenden Höhenmeter zu bemerken und hält sich bis zum Abend vornehm zurück. Der Zeltplatz ist sehr schön am Cayuta Lake gelegen. Das Feuerholz ist schnell gefunden und der Proviant kann schon zum zweiten Mal am Boden bleiben. Das Bärengebiet haben wir wohl mit den Hügeln hinter uns gelassen.




Freitag, 30. Mai 2008
29. Mai, Montrose nach Endicott

Als wir heute morgen erwachten, fühlten wir uns beide ganz schön gerädert. Die Anstrengungen der vergangenen Tage steckten uns in den Knochen. Die anstehende Etappe war mit 50 km relativ kurz und ließ uns auf ein frühes Erreichen des Zeltplatzes hoffen, so daß wir den Nachmittag zum Ausruhen nutzen konnten. Es waren weniger Berge zu befahren, allerdings hatten wir heute so wenig Power in den Waden, daß es ebenso anstrengend wurde wie tags zuvor.

Share The Road!

Dem hartnäckigen und permanenten Hunger konnten wir heute besser entgegentreten. In unseren Radtaschen hatten wir inzwischen ein kleines Depot von Müsli- und Schokoriegeln angelegt. Mittags kehrten wir wieder in eine urige Kneipe am Straßenrand ein. Auch hier fühlten wir uns wie in einer Höhle - der Raum war schummerig und langgezogen bei niedriger Decke. Wir setzten uns zu den harten Jungs an die Bar, die sich mittags bereits Bier und diverse Mixgetränke gönnten und dabei Jagdgeschichten zum Besten gaben. Der Betreiber und Barkeeper wollte sich nicht recht in das Bild einfügen. Er sah aus, als hätte er gestern erst die Army verlassen - ein Schrank mit Bürstenschnitt. Der Burger war auch dieses Mal hervorragend und sogar noch reichhaltiger, gesättigt und zufrieden kullerten wir aus der Höhle zurück ins Tageslicht.

Die zweite Hälfte der Strecke verlief recht schnell, die größten Hügel lagen hinter uns. Nur der Anstieg zum schön gelegenen Zeltplatz verlangte noch einmal alles von uns ab. Den restlichen Nachmittag lagen wir also sehr entspannt am See und genossen die Sonne. Inzwischen befinden wir uns im Staat New York, jetzt bestimmen die Niagarafälle die grobe Marschrichtung. Morgen liegen rund 80 km vor uns, bei gemäßigtem Terrain. Wir hoffen auf gute Erholung unserer Beine bis dahin.




28. Mai, Honesdale/Bethany nach Montrose

Die heutige Tour soll wieder etwas kürzer werden und wir fahren erst gegen halb elf los. Das Profil bleibt unverändert - es geht beständig auf und ab. Darunter auch der bisher höchste Hügel mit 620 m. Die Täler liegen meist so bei 200 bis 300 m. Das schlaucht gehörig und wir hoffen, dass wir die Appalachen bald verlassen werden. Allerdings haben wir auch öfter leichten Gegenwind und ich habe etwas Bammel davor, wie sich das in flacheren Regionen entwickeln wird.

Schoene Umgebung und vor allem viele Huegel...

Zum Frühstück essen wir übrigens immer so viele Corn Flakes, wie wir runter bekommen. Bisher ist die Versorgungslage gut und wir haben stets frische Milch. Ich habe noch keinen Plan, was ich später in dünner besiedelten Regionen frühstücken soll, Vorschläge sind willkommen. Jedenfalls sind wir nicht einmal eine Stunde gefahren, als bei Kathi wieder der Hunger-Alarm losgeht. Das wird langsam zum Running Gag, denn sie hat inzwischen nur noch für kurze Zeit unmittelbar nach dem Essen keinen Hunger. Die letzten Riegel sind bald verbraucht und hier in der Pampa gibt es nur winzige Dörfer ohne Einkaufsmöglichkeiten. Doch zum Glück finden wir einen unscheinbaren Diner, der innen sehr amerikanisch ist. Dunkel, alles aus Holz, große Bar, viele Schilder und Kram an den Wänden - total gemütlich. Wir bestellen zwei Burger und als ich in meinen beiße, falle ich fast vom Stuhl. Ich kann mich nicht entsinnen, je einen besseren gegessen zu haben. Die Soda Refills sind kostenlos und ich nutze das unanständig aus. Zufrieden verlassen wir den Schuppen, den ich so schnell nicht vergessen werde.

Viele Hügel später erreichen wir unseren Zeltplatz und sind schwer erschöpft von den 62 km, die hinter uns liegen. Beim Einkauf zuvor entscheidet Kathi, dass sie ihr
Essens-Budget erhöht. Abends gibt es noch zwei Mahlzeiten (fertige Nudeln aus der Dose, insgesamt 1,6 kg) und ein tolles, großes Lagerfeuer.




Donnerstag, 29. Mai 2008
27. Mai, Montague nach Bethany

Am vorangegangenen Ruhetag konnten wir alles gut vorbereiten und früh schlafen gehen. Daher sind wir diesmal schon um neun mit allem fertig und sitzen auf den Rädern. Die Dame vom Zeltplatz wünscht uns alles Gute und verspricht, für uns zu beten - wir bedanken uns artig. Kurz darauf führt uns der Weg wieder über die bekannte Brücke mit dem Papierkrieg. Nun werden wir also Pennsylvania unsicher machen.

Biker/Hiker-Shuttle

Durch das GPS wissen wir, was uns erwartet: so viele Hügel wie zuvor, nur deutlich höher. Wir kämpfen uns jeden einzelnen hoch. Oft geht es nur mit dem leichtesten Gang voran. Dann ist man ungefähr bei Schrittgeschwindigkeit und muss aufpassen, dass man nicht umfällt. Aber durch den Ruhetag sind wir ziemlich fit und kommen halbwegs voran. Die Sonne brennt und wir müssen sehr viel trinken. Zum Glück gibt es ab und an eine Tankstelle - die kalte Cola tut gut und der Zucker geht direkt ins Blut. Kathi entwickelt langsam einen erstaunlichen Appetit.

Der Weg führt die Route 6 entlang und nahezu nur durch Wald. Ein großer Teil ist offizielles Jagdgebiet und viele Schilder legen nahe, sich nur mit orangener Weste von der Straße zu entfernen. Trotzdem höre ich nie einen Schuss. Ist auch eigentlich nicht nötig, denn das Wild liegt permanent in allen Größen und Formen auf unserem Standstreifen herum. Als Hintermann riecht man es oft bevor man es sieht. Manchmal sieht man es gar nicht - dann ist es wohl bis ins Gebüsch geflogen oder gekrochen und gammelt dort vor sich hin. Der Höhepunkt ist aber ein Reh, bei heftiger Steigung und Gegenwind. Der Gestank ist bestialisch und bringt uns bereits in größerer Entfernung zum wanken. In einer geplanten Aktion weichen wir bis zur Mitte der Straße aus, um das Hindernis zum umfahren.

Gegen Mittag beginnt es dann zu regnen. Nicht sehr stark, aber doch mehr, als für eine Abkühlung nötig gewesen wäre. Kurz bevor Kathi vor Hunger vom Rad fällt, kommen wir an einem Pizza-Laden vorbei und die Energiespeicher werden neu betankt. Der Besitzer ist in den besten Jahren, italienischstämmig und offensichtlich von der harten Sorte - oder war es zumindest mal. Mehrere Poster fordern zum Dienst an der Waffe auf. Viele NYC-Bilder hängen an der Wand, mit vollständiger Skyline. Beim Rausgehen entdecke ich noch ein Schild mit der Aufschrift "Keep America beautiful, litter in Iraq".

Nach einem kurzen Sonnenfenster begint wieder der Regen, diesmal richtig heftig. Wir strampeln weiter, und als wir im vermeintlichen Zielort angekommen sind, scheint wieder die Sonne. Es sollten dann noch etwa 4 km bis zum Zeltplatz sein, doch diesmal lässt uns das GPS im Stich. Mitten in der Pampa endet der markierte Pfad und wir lernen zudem, wie schwer es ist, Zeltplatzbesitzern am Telefon vernünftige Entfernungsangaben zu entlocken - von Schildern ganz zu schweigen. Sie kennen eben nur das Auto. Durch die Ungewissheit bin ich zwischendurch gehörig frustriert, aber nach gut über 10 km (natürlich meist bergauf) endet auch diese Odyssee mit einer warmen Dusche. Wir nutzen diesmal nicht unsere Faltschüssel sondern Waschmaschine und Trockner, feine Sache. Nach dem obligatorischen Nudelessen (Kathi wird nicht 100%ig satt) hängt unser Zeug wieder im Baum und Kathi ratzt längst, während ich tippe. OK, es liegen auch knapp 80 km und viele Höhenmeter hinter uns.




Mittwoch, 28. Mai 2008
26. Mai, Ruhetag

Nach den strapaziösen ersten Tagen haben wir uns entschieden, unseren ersten Ruhetag einzulegen. Wir liegen zwar eher etwas unter dem notwendigen km-Schnitt, aber das ist uns derzeit relativ wurscht. Zudem ist Memorial Day und so sparen wir uns einen Tag mit viel Verkehr auf den Straßen.

Wir sind am Abend des Vortags noch zum Einkaufen ausgerückt und haben genügend Vorräte besorgt. Das große Ballungsgebiet rund um New York ist einer ländlichen Gegend gewichen und so mussten wir für unsere Einkäufe in den Nachbarstaat. Dazwischen liegt der Delaware River und eine Mautbrücke. Daran wird gerade gebaut und Radler dürfen nicht passieren. Es gibt aber eine Hotline, mit der wir ein Shuttle bestellen konnten. Obwohl wir außerhalb der Betriebszeiten anriefen, kam der Van prompt, fuhr uns sogar bis zum Supermarkt in der Stadt auf der anderen Seite, und am Ende wieder zurück über die Brücke. Der Spaß war kostenlos, aber wir mussten zwei Seiten Text unterschreiben... Und das bei beiden Fahrten. Wir hatten keine Lust, den Kram zu lesen und hoffen, dass wir nicht Hab und Gut unserer Eltern abgetreten haben.

Den Ruhetag gammeln wir bei feinstem Sommerwetter auf dem Zeltplatz rum. Die Räder werden durchgecheckt und bekommen zur Belohnung etwas Öl verpasst. Die Ausrüstung wird begutachtet und wir beginnen eine Liste mit potetiellem Inhalt für ein Paket nach Deutschland - darunter so illustre Kandidaten wie der zweite Topf und die vierte Unterhose. Ein Spaziergang um den kleinen See verläuft bis auf eine Warnung vor Schlangen ereignislos - die Amis sind oft sehr fürsorglich. An diesem Tag können wir sogar zweimal kochen. Es gibt zweimal Nudeln. Wir kennen aber mehrere Variationen und Kathi wird launisch, wenn es etwas anderes gibt.

Eine neue Kategorie in dieser Kolumne ist der Ausrüstungsgegenstand der Woche. Erster Sieger ist das kleine GPS-Gerät, das eine enorme Erleichterung darstellt. Daheim haben ja nur sehr grob bis gar nicht geplant. So suchen wir uns abends mit normalen Karten das Ziel des nächsten Tages. Während der Tour zeigt uns das GPS den Weg. Wir verfahren uns praktisch nur, wenn ich verschlafe, da drauf zu gucken. Die richtig harten Jungs werden sagen, dass das Schummelei ist. Aber wir sind eben nicht so hart. Und New York ohne unsere vorgeplante Route hätten wir nicht haben müssen. Inzwischen habe ich auch die Funktion gefunden, von der der Verkäufer behauptet hat, dass es sie nicht gibt: Die Berechnung des Höhenprofils einer Route anhand der topografischen Karten. So wissen wir vorher, was uns erwartet. Das kann teilweise auch frustrieren (die nächsten Tage werde noch toller als die letzten), hilft aber bei der Planung und der Suche nach dem kleisten Übel...

Abschließend möchten wir uns noch für die vielen netten Kommentare bedanken, die wir täglich lesen. Sie erfreuen und motivieren zugleich. Dem Wunsch nach Bildern können wir derzeit noch nicht nachkommen, die Handy-Kosten würden unser schmales Budget sprengen. Wir wollen das aber möglichst bald nachholen.




Dienstag, 27. Mai 2008
25. Mai Oak Ridge nach Montague

Weiter geht es Richtung Nordwesten. Wie die beiden vorangegangenen Tage bringt auch dieser knapp 70 km im Sattel mit sich. Nur diesmal ist es von Anfang bis Ende hügelig. Ich schreibe extra nicht bergig, denn ich fürchte, dass ich später noch eine Steigerungsform benötigen werde. Aber durch das viele Gepäck fahren sich die Räder schon jetzt eher wie Panzer. Nur ohne Motor. Aber wir beißen uns durch. Hügel für Hügel.

Wir führen inzwischen eine Hitliste von erstaunlichen Heimatliebe-Bekundungen der Einheimischen. Dies erfolgt beispielsweise auch auf dem Zeltplatz durch volle Beflaggung der eigenen Parzelle. Spitzenreiter ist bislang ein Haus, das durch die hochkant im Vorgarten aufgespannte US-Flagge überragt wird. Mitsamt Baustrahler davor - das hätten wir gern nachts gesehen. Mental note to self: Mehr Fotos machen.

Endlich mal ein lebendes Reh...

Auf der kulinarischen Seite durfte ich feststellen, dass es auch in New Jersey sehr feines Softeis gibt. Kathi konnte erstmals ihre bevorzugte Bagel-Kette aufsuchen und hat dabei erheblich zufriedener dreingeschaut als an der Steigung zuvor. :-)

Kurz vor unserer Ankunft - ich glaube es war an einem Hügel - sieht Kathi plötzlich, wie ein Schwarzbär aus dem Gebüsch direkt neben der Straße Reißaus nimmt. Ich bin leider schon vorbei und bekomme ihn nicht zu Gesicht, höre es aber noch ordentlich poltern. Das war schon die zweite Begegnung mit Meister Petz und ich bin gespannt, ob die Quote anhält...